Meditationsanleitung für Anfänger:
Die Körperwahrnehmung
Die Bedeutung des Körpers
Wohl jeder, der sich der Meditation zuwendet, möchte ihren Nutzen in das Leben integrieren. Umso wichtiger ist es also, den Umgang mit der grundlegendsten Seinsebene des Lebens in der Meditation zu erlernen und zu meistern. Es ist die des Körpers. Er ist die Empfindung-und Ausdrucksebene unserer Gefühle. Er verbindet uns durch die Sinneswahrnehmung mit der äußeren Welt. Zugleich ist der Körper die Ebene, auf der wir durch Empfindung (und Bewertung) lebendigen Kontakt zu unseren Erinnerungen erfahren. Er ist der Ort des Glücks aber auch des Traumas (der Verletzung in all ihren Schattierungen) sowie die erste und wichtigste Ebene, auf der wir authentisch Bindung zur Welt empfinden, lange bevor wir die Bedeutung bestimmter Sinnesreize auch nur im Entferntesten zuordnen können.
Nicht nur die physischen, auch alle psychischen Grundbedürfnisse werden direkt über den Körper erfahrbar und erfüllbar. Ab dem Säuglingsalter ermöglicht uns der Körper die Erfahrungen von Nähe, Lustempfinden und Schmerzvermeidung, später auch der Kontrolle und Autonomie sowie des Selbstwerts. Obwohl wir im Laufe des Lebens diese Grundbedürfnisse teilweise auch auf anderen Ebenen zu erfüllen lernen, bleibt der Körper für sie der wichtigste Erfüllungsort. Solange wir leben.
Der Körper ist das Sprachrohr unserer tiefsten Instinkte, die mindestens viele Hunderttausende Jahre älter und weiser sind als alle Intelligenz des menschlichen Gehirns. Genauso wie seine Selbstheilungskräfte viel älter und weiser sind als die moderne Medizin. Seine Aussagen über das Leben des Individuums sind weitaus präziser als alle Messungen der modernen Diagnostik. Der Schlüssel zur immensen Weisheit des Körpers liegt darin, ihn wahrzunehmen und als Verbündeten anzuerkennen. Unabhängig von unseren Bewertungen seines Zustands. Auch und vor allem in der Meditation.
Herausforderungen bei der Meditation in die Körperebene
In manchen Empfehlungen für das herangehen an Meditation wird der Blick auf und in den Körper vernachlässigt oder sogar absichtlich vermieden. Viele Menschen finden durch körperliche Krankheit oder Not zu Meditation und so ist es nur allzu nachvollziehbar, dass wir die Wahrnehmung dieser manchmal „unbequemen“ Seinsebene ausblenden möchten. Dennoch liefert der Körper nicht nur wichtige Aussagen für den Weg zu innerer Klarheit und bewusstem Sein, gerade er profitiert zuerst und vielleicht auch besonders intensiv von der Energie, die durch meditative Achtsamkeit freigesetzt und in Fluss gebracht wird. Für alle, die sich aus bestimmten Gründen „lieber nicht“ dem Körper zuwenden wollen, empfehle ich die Meditationsanleitung zur Körperwahrnehmung und Selbstheilung, siehe Kasten rechts.
Die Wahrnehmung des Körpers empfehlen wir Meditation-Anfängern unter diesem Vorbehalt: Haben Sie in Ihrer Vergangenheit schwere körperliche Traumata (zum Beispiel schwere Unfälle) oder psychische Traumata mit Beteiligung des Körpers (z.B. schwere körperliche Gewalt, Misshandlung, Missbrauch) erlebt, beraten Sie sich bitte zunächst mit einen in diesem Bereich erfahrenen Psychotherapeuten.
Die besonderen Geschenke durch die Meditation in den Körper
Obwohl die Meditation in die Körperwahrnehmung gerade für Anfänger eine besondere Herausforderung darstellen kann, beschenkt Sie uns auch besonders reichlich. Allein schon der gesteigerte Energiefluss im Körper kann uns Stunden oder gar Tage lang mit einer Welle von Wachheit und Lebendigkeit überfluten. Spannungen, die vielleicht Jahre lang unbemerkt geblieben sind, werden offenbar und durch einlassende Aufmerksamkeit abgemildert. Schmerzen auf körperlicher Ebene werden durch meditative Einlassung und Anerkennung zumindest als weniger stark empfunden, wenn nicht sogar sofort erheblich gemildert. Die Wahrnehmung der Körperintuition bietet eindeutige und sofortige Antworten auf Fragen, mit denen wir uns auf anderen Ebenen vielleicht im Kreis drehen. Jeder bewusst in den Körper gerichtete Atemzug erhöht sofort das Potenzial des Körpers zur Selbstheilung.
Meditationsanleitungen in die Körperwahrnehmung für Anfänger
Obwohl die Kontaktaufnahme zum Körper aus oben genannten Gründen durchaus als herausfordernd empfunden werden kann, sind die ersten Schritte doch ebenso einfach wie erfolgversprechend. Bitte lesen Sie sich die folgenden Anregungen zunächst durch und entscheiden Sie dann, welchen Weg Sie zuerst einschlagen wollen.
Variante 1: Die Körperebene wahrnehmen und anerkennen
Vorbereitung: machen Sie es sich bitte hinreichend bequem. Sitzen oder liegen sie so entspannt, wie es jetzt eben gerade geht.
- Nehmen Sie wahr, wie sie gerade jetzt atmen. Greifen Sie nicht ein, nehmen Sie einfach nur wahr
- bleiben Sie einige Minuten lang einfach nur in der Wahrnehmung des Atems
- wenn Gedanken sie ablenken, kehren sie einfach emotionslos immer wieder zur Wahrnehmung des Atems zurück
- richten Sie jetzt die Aufmerksamkeit auf eine beliebige Körperstelle
- lassen Sie zu, dass eine Bewertung dieser Körperstelle auftaucht: ein besonderes Wohlgefühl oder eine Art von Widerstand gegen das, was sie spüren
- lassen Sie Ihre Bewertung einfach im Raum stehen und richten Sie sich auf die bloße Wahrnehmung aus
- ein einfaches Mantra hilft dabei: das ist mein Körper (das sind meine Füße, das ist mein Bauch, das ist meine linke Hand, et cetera.)
- Lassen Sie ganz bewusst ihren Atem in diese Körperstelle fließen
- Wenden Sie sich nun einer weiteren Körperstelle zu, empfinden sie zunächst die Bewertung und richten Sie sich dann wieder auf die pure Wahrnehmung aus
- verbinden Sie wiederum innerlich Ihren Atem mit dieser Körperstelle
- lassen Sie Ihren inneren Blick, so lange, wie Sie mögen, durch den Körper wandern
- wenn Sie möchten, stellen Sie sich kraftvoll vor, wie sich nun auch all diejenigen Körperstellen miteinander verbinden, die sie wahrgenommen haben
- spüren Sie immer wieder in die Einheit ihres Körpers. Beginnt sie, stärker zu werden?
- Verfolgen Sie, wie Ihre Körperwahrnehmung mit jedem mal vollständiger wird
Variante 2: Die Verbindung zum Körper in der Meditation neu aufbauen
Stellen Sie zur Vorbereitung ein Glas Wasser neben sich. Benutzen Sie ein durchsichtiges Glas und stilles, gutes Wasser. Es braucht nicht allzu viel zu sein.
- Machen Sie es sich so bequem, wie es jetzt eben gerade geht, am besten im Sitzen, z.B. aufrecht auf einem Stuhl
- nehmen Sie wahr, dass Sie atmen: dass Sie (Luft) aufnehmen und abgeben
- Nehmen Sie das Glas Wasser nun in beide Hände und stellen Sie sich einige Atemzüge lang vor, wie sie mit der Kraft ihres Ausatems das Wasser programmieren: auf Klarheit, Lebendigkeit und Reinigung
- nehmen Sie nun einen einzigen Schluck Wasser
- spüren Sie diesem Schluckwasser im Hals nach, dann in der Brust und schließlich im Bauch
- spüren Sie nach, wie dieser Schluck Wasser nun in Ihrem Körper seine Qualitäten entfaltet
- verfolgen Sie in den kommenden Minuten, wie der Schluck Wasser von Ihrem Körper vollständig aufgenommen wird und sich in ihm ausbreitet
- achten Sie auf bestimmte Körperstellen und spüren Sie nach: kann ich zumindest eine der Eigenschaften des Wassers hier wahrnehmen?
Sie können diese Meditationsanleitung natürlich auch mit anderen Programmierung wenn des Wassers durchführen. Wie wäre es zum Beispiel mit Wärme, Wahrheit, Gelassenheit (besonders hilfreich bei Verspannungen) oder Heilung? Als weitere Spielart können Sie die programmierte Kraft des Wassers auch in ganz bestimmte Körperregionen lenken. Nach den ersten Schritten in dieser Art der Meditation werden sie eine immens gesteigerte Präsenz in ihrem Körper wahrnehmen, geschärfte Sinne und bei vielen auch eine erhöhte Souveränität im Umgang mit dem Außen.
Variante 3: Fülle und Leere im Körper wahrnehmen
Machen Sie es sich wieder so bequem, wie es eben gerade geht. Atmen Sie einige Minuten lang einfach nur bewusst. Wenn Körper und Geist nun ein wenig zur Ruhe kommen, werden sie sich der Tatsache bewusst, dass Materie, rein physikalisch betrachtet, zum größten Teil aus leerem Raum besteht. Weniger als ein Prozent des Volumens von Materie ist wirklich fest. Materie besteht, wie wir heute wissen, größtenteils aus Leere, aus Zwischenraum.
- atmen Sie und nehmen Sie wahr, wie Ihr Körper dabei reagiert. Kein Eingreifen – einfach wahrnehmen.
- spüren Sie, wie sich die Brust und (hoffentlich auch) der Bauch heben und senken, um der Luft immer wieder neu Raum zu bieten
- nehmen Sie bewusst wahr, wie die Lungen sich abwechselnd füllen und leeren
- während sie ganz normal weiter atmen, verändern sie nun ihr inneres Bild: während die Lungen den lebenswichtigen Sauerstoff aufnehmen, gelangt die ENERGIE der Luft von den Lungen aus in alle Zwischenräume der Materie ihrer Lungen
- während die Lungen den Sauerstoff aufnehmen, nimmt der Zwischenraum der Materie Ihrer Lungen die Energie auf und füllt sich zunehmend damit an
- lassen Sie dieses innere Bild immer mehr an Kraft gewinnen
- nun atmen Sie auf zwei Arten gleichzeitig: ihre Lungen atmen den Sauerstoff, während gleichzeitig die Kraft, die Energie der Luft in alle Zwischenräume der Materie ihres Körpers dringt
- lassen Sie die Zwischenräume der Materie ihres Körpers immer mehr mit dieser Energie füllen
- richten Sie, wenn es Ihnen angenehm oder hilfreich erscheint, die Energie in die Zwischenräume bestimmter Organe oder Körperstellen
Körper-Meditation für Anfänger: ein Fazit
Bitte entscheiden Sie selbst, ob es für Sie besser ist, erst eine dieser Richtungen eine Zeit lang einzuschlagen, bis Sie sich darin und damit wohl und sicher fühlen. Oder ob sie im Wechsel die verschiedenen Anregungen ausprobieren möchten, umso von Anfang an die Vielfalt dessen zu erleben, was Meditation in den Körper bedeuten kann.
Besonders Meditations-Anfängern, die auf der Körperebene schon gut wahrnehmungsfähig sind, wird die Umsetzung dieser Anleitungen leicht fallen. Der besondere Gewinn ist hier aber umso mehr für all jene zu erwarten, die dem Körper bisher eher wenig Aufmerksamkeit geschenkt oder sie ihm sogar entzogen haben; sei es als Ergebnis der Verstandesorientierung unserer Zeit oder wegen körperlicher Beschwerden.
Alles Gute mit diesen Anleitungen!