das innere Kind
Was ist das innere Kind?
Sowohl in der Lebensberatung als auch in der Psychotherapie taucht der Begriff des inneren Kindes auf. Es ist etwas verwirrend, dass er nicht in jedem Zusammenhang das gleiche bedeutet. Je nach Kontext ist manchmal eine Art Begleiter gemeint, ein Kind also, dass man gleichsam an der Hand durch’s Leben führt (oder andersherum, was im Übermaß sehr ungünstig ist). In anderen Zusammenhängen bezeichnet das innere Kind einen Teil der Persönlichkeit, der sich mit bestimmten inneren und äußeren Gegebenheiten des Lebens auseinandersetzt und darauf Einfluss nimmt, der aber dauerhaft mit dem Alltagserleben verbunden ist und daran teilnimmt.
In der Lebensberatung selbstwärts sehen wir das innere Kind als einen Teil der Persönlichkeitsstruktur und -vielfalt unserer Klienten. Dieser Anteil hat bestimmte Eigenschaften, mit denen er die Welt betrachtet und auf sie Einfluss nimmt. Diese Eigenschaften sind ähnlich wie jene, die auch ganz reale Kinder zeigen. Im Mittelpunkt stehen dabei Glaubensvorstellungen, Reaktionsmuster und Bedürfnisse, wie wir sie eben von Kindern kennen. Für einen Erwachsenen sind dies nicht immer die besten Möglichkeiten, mit der Umwelt umzugehen. Die Psychotherapie nennt sie zuweilen „dysfunktional“. Andererseits kommen Menschen damit ja tatsächlich über Jahrzehnte hinweg durchs Leben, wenn auch oft mehr schlecht als recht.
Wie wir mit dem inneren Kind leben
Dass wir immer wieder auch als inneres Kind durchs Leben gehen, könn(t)en wir jeden Tag unzählige Male feststellen. Immer dann beispielsweise, wenn plötzlich kindliche Gefühle oder kindliche Verhaltensweisen auftauchen. Natürlich ist man in so einem Moment geneigt zu denken oder sogar zu sagen „ICH bin traurig“ – oder „ICH habe keine Lust mehr“ oder „Ach lass MICH doch einfach in Ruhe“. Und natürlich können das durchaus auch Aussagen des inneren Erwachsenen sein. Oft weisen solche Sätze aber sehr direkt darauf hin, dass hier das Kind fühlt und spricht. Mit einer ganz wichtigen Einschränkung: Derjenige, der diese Sätze sagt, IST in diesem Moment das innere Kind. Und das führt im Leben eines Erwachsenen erfahrungsgemäß zu Problemen.
Wie wir besser mit dem inneren Kind leben können
Umso erstaunlicher ist es, wie oft wir für unsere Meditationsanleitungen zur Kontaktaufnahme mit dem inneren Kind das Feedback bekommen, dass der Kontakt nicht gut klappt oder zumindest schwierig ist oder in seltenen Fällen auch, dass das Kind daran scheinbar überhaupt kein Interesse zeigt. Wie kann das sein, wo doch derselbe Mensch so oft in kindlichen Verhaltensweisen und Empfindungen lebt? Wie kann das sein, wenn der Erwachsene im normalen Alltag doch eigentlich viel zu sehr im Kind steckt? Das ist der feine Unterschied. Denn ein Kind zu sein, gelingt jedem. Aber als Erwachsener für ein Kind da zu sein, gelingt nur demjenigen auf Anhieb gut, der entweder mit den richtigen Instinkten geboren wurde (das ist selten), oder demjenigen, der einen solchen guten Kontakt erlernt hat.
Wie ein Erwachsener einen guten Kontakt zu einem Kind pflegt, lernen wir in unserer eigenen Kindheit. Dabei spielen Mechanismen eine Rolle wie etwa Geborgenheit geben, Aufmerksamkeit geben, Anleitung und Interesse geben, und wo es nötig ist, auch erwachsene Führung geben. Das alles führt dazu, dass das Kind sich im Schutz mindestens eines Erwachsenen sowohl geschützt, geborgen und gehalten fühlen kann, als auch dazu, dass sich aus dem Kind heraus innerhalb seines individuellen Spielraums ein reifender Erwachsener entwickelt.
In den meisten Fällen haben unsere Klienten erlebt, dass eine bestimmte, wichtige Art der Führung, Anleitung und/oder des Schutzes in der Kindheit nicht gegeben war. Ihnen fehlt also ganz schlicht die Vorlage dafür, wie der Umgang mit dem eigenen inneren Kind funktionieren kann. Er ist immer individuell, so individuell wie die Person, die es betrifft. Hier kann Lebensberatung einen wichtigen Dienst dabei leisten, diese so genannte Nachbeelterung anzubahnen und auszubauen.
Wie das Zusammenleben mit dem inneren Kind entwickelt werden kann
Wenn wir Kinder sind, werden entscheidende Grundbedürfnisse von den Eltern erkannt und erfüllt. Das ist der Idealfall. Die Kindheit markiert eine Zeit des Lebens, in der wir tatsächlich abhängig sind. Es ist erforderlich, dass zumindest unsere Eltern dafür sorgen, dass wir uns im Leben wohl und beschützt fühlen. Denn auch für Kinder ist das Überleben das wichtigste Ziel des Lebens. Pure und letztlich simple Biologie.
Ein kleines Kind ist dem Wohlwollen der Eltern insofern absolut ausgeliefert, als dass es eben nicht selbst für die Erfüllung dieser wichtigsten Grundbedürfnisse sorgen kann. Ein Kennzeichen einer ganz normalen, gesunden Reifung ist, dass wir nach der Kindheit mehr und mehr selbst die Erfüllung dieser Bedürfnisse übernehmen. Wenn wir es denn überhaupt erlebt haben, wie es sich anfühlt, wenn sie erfüllt sind. Wir wissen dann, wonach wir streben können und welchen Dienst wir uns selbst erfüllen können. Wurden das Wissen und die Erfahrung dazu aber nicht angelegt, bleiben wir das hilflose, bedürftige Kind, das auf die Erfüllung seiner Bedürfnisse wartet und diese Erfüllung weiterhin im Außen sucht, wie früher bei den Eltern.
Dies ist aber schwierig, da wir nun im Körper und in der Macht eines Erwachsenen stecken und jeder von uns glaubt, wir könnten uns um uns selbst kümmern. Unsere Bedürftigkeit wird deshalb oft genug zurückgewiesen oder eben einfach nicht erfüllt. Und an diesem Punkt darf man sich fragen, was besser ist: wenn die Anderen die kindlichen Bedürfnisse erfüllen, oder wenn sie es nicht tun? Erfüllen die anderen unsere kindlichen Bedürfnisse, bleiben wir Ihnen gegenüber in kindlicher Abhängigkeit. Obwohl es vorkommt, dass zwischenmenschliche Beziehungen auf dieser Basis gut funktionieren, ist es nicht die Regel, zumindest nicht mittel- und langfristig. Erfüllen die anderen diese Bedürfnisse nicht, sind wir mit ihnen unzufrieden oder fühlen uns unfair oder einfach falsch behandelt. Auch dies ist für Erwachsene Beziehungen schädlich.
Die „Heilung des inneren Kindes“
Für uns als Lebensberater hat die Heilung des inneren Kindes mehrere Stufen. Zunächst ist es wichtig, den Unterschied zwischen dem Erleben des Kindes und dem Erleben des Erwachsenen zu erkennen. In dieser Phase spielen die Begriffe Achtsamkeit, Reflektion und Selbstbeobachtung eine wichtige Rolle. So wird der zweite Schritt, die bewusste Entscheidung für das Einnehmen einer inneren Rolle, möglich. Nun kann bewusster als noch zuvor gewählt werden, wer ich sein will: das Kind mit allen kindlichen Empfindungen und Verhaltensweisen, oder der Erwachsene, der sich in einer Situation auf Erwachsene Weise verhält. Danach wird es möglich, zwischen Erwachsenem und Kind ein Teamwork aufzubauen. Hat das Kind noch zuvor selbst seine Bedürfnisse eingefordert und den anderen angeklagt, wenn er sie nicht erfüllt, so wird es nun möglich, dass der innere Erwachsene die Bedürfnisse des inneren Kindes erfragt oder erkennt und sie im Außen auf eine erwachsene Weise vertritt. Dadurch wächst das Vertrauen des inneren Kindes, sich bei Problemen, Herausforderungen und Schwierigkeiten zunächst an seinen eigenen inneren Erwachsenen zu wenden, der für es sorgt.
Alle näheren zwischenmenschlichen Beziehungen können auf diese Weise einen Wandel erleben, der für die einzelnen höchst beglückend ist. Denn neben der Befriedigung einer reifen Erwachsenenbeziehung ist zugleich die tiefe Zufriedenheit des inneren Kindes spürbar. Viele unserer Klienten erleben beides zum ersten Mal und vor allem in Kombination miteinander kann das überwältigend sein.
Herausforderungen in der Arbeit für das innere Kind
Die oben beschriebene Abfolge in der Arbeit für das innere Kind und den inneren Erwachsenen stellt einen Idealfall dar, der in der Praxis nur selten zu finden ist. Für gewöhnlich treten viele individuelle Herausforderungen auf, die ebenso individuell betrachtet werden müssen. Um trotz unerfüllter Bedürfnisse und nicht erlebter (aber ersehnter) Freuden ein alltägliches Leben führen zu können, haben viele Erwachsene die Welt ihres inneren Kindes abgespalten. Es ist auf Dauer für viele Menschen erträglicher, ein Bedürfnis gar nicht mehr zu spüren, als seine ständige Enttäuschung zu erleiden. So ist es schon allein wegen der Gewöhnung manchmal schwierig, die neuen, besseren Wege einzuschlagen. Das Mittel zum Zweck ist hier nicht das Verständnis oder das Gespür, sondern es geht schlicht und einfach darum, die neuen Wege zunächst zu üben und dann zu trainieren. Der Unterschied: Die Übung zeigt uns, dass es grundsätzlich möglich ist, andere, neue Entscheidungen zu treffen. Das Training sorgt schließlich dafür, dass wir in der Umsetzung dieser neuen Wege nicht nur besser werden, sondern dass es zur Routine wird, sich zwischen alten und neuen Reaktionen und Herangehensweisen entscheiden zu können. Ist dieser Schritt geschafft, ist die Heilung in vollem Gange.
Lebensberatung für Sie und Ihr inneres Kind
Die Arbeit für die inneren Kinder unsere Klienten gehört schon immer zu Lebensberatung selbstwärts. Es ist nicht so, dass wir mit Absicht den Blick auf diesen Lebensbereich lenken müssen. Lebensberatung selbstwärts beschäftigt sich mit denjenigen Aspekten des Lebens, die nicht in authentischer Balance sind. Das Gleichgewicht dieser Lebensinhalte ist für jeden Menschen individuell. Wenn wir über längere Zeit zu weit entfernt von unserer jeweils authentischen Balance sind, gibt uns das Leben Hinweise darauf. Vielleicht ist es ein Zeichen unserer Zeit, dass wir so bereitwillig diese Hinweise von uns weisen, sie überdecken, sie ignorieren. Allerdings hat hier das Leben den längeren Atem. Wenn eine Veränderung wirklich wichtig ist, macht es die Hinweise lauter, es verstärkt sie, es macht sie schließlich unüberhörbar. Bis hin zu dem Punkt, wo ein Leben innerhalb der alten unbalancierten Regeln einfach nicht mehr möglich ist. Deshalb freuen wir uns über jeden Klienten, der bereits vor der größten Not die Entscheidung für sich trifft, das Zusammenleben mit seinem inneren Kind auf eine neue Ebene zu heben.